
Im nördlichen Rheinland-Pfalz, am idyllischen Ufer des Mittelrheins liegt die historische Stadt Remagen. Der Ort geht auf ein über 2000 Jahre altes Kastell als Teil des römischen innerdeutschen Limes zurück. Der Schutzweg entlang der Grenze sicherte das Reich und seine Bewohner und stellte eine militärische und wirtschaftliche Aorta der Römer dar. Die Lage des Kohortenkastell „Rigomagvs“ (Remagen) auf der Mittelterrasse des Rheins offenbarte einen strategisch guten Ausblick gen Westen und auf das gegenüberliegende Ufer. Der gesamte Bereich der römischen Anlage ist fast vollständig überbaut worden. Einige bauliche Überreste der Kastellmauer sowie Bodenfunde ehemaliger Siedlungen zeugen aber bis heute vom römischen Einflusses in Remagen. Als südlichster Stützpunkt des niedergermanischen Limes und Zeitzeuge der Römer ist die Stadt 2021 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt und möchte nun die baugeschichtlichen Funde angemessen konservieren und zugänglich machen. In Mitten der historischen Altstadtstruktur, nahe dem Rathaus und der Pfarrkirche St. Peter und Paul werden über zehn Meter, aktuell noch eingehauste, Kastellmauer sowie weitere vermutete Bodenfunde der angrenzenden Kastelltürme vorgefunden.

Am Rande eines Wohnhauses, außerhalb der historischen Kastellperimeter, sind die Natursteinmauer und ihre vergleichsweise junge Naturstein-Einhausung von circa 2m über Erdreich bis ins Kellergeschoss einsehbar. Als bauhistorischer Fund und Zeuge fortschrittlicher römischer Baukunst ist ein gesicherter Erhalt und museale Einsicht erklärtes Ziel des „Rigomagvs“, des neuen UNESCO-Informationszentrum Limes in Remagen.


Die archäologische Freilegung der Spuren der Römer wird zum architektonischen Konzept des Neubaus. Das bestehende Wohnhaus sowie die Naturstein-Einhausungen der historischen Mauer werden behutsam abgebrochen. Die Topographie der Freianlage wird begradigt, Funde werden gesichert und ggf. an Ort und Stelle gestützt und temporär abgedeckt.
Als Stahlskelett-Stahlbeton-Hybrid stützt sich der Neubau dann punktuell auf dem Erdreich auf. Die 5 Achsen der Stahl-Hauptträger bilden orthogonal zum Kastellwall das Grundgerüst des Gebäudes. Überkragend rahmt das in Vorhangfassade gekleidete Obergeschoss die historische Mauer und gibt dieser einen modernen Rahmen. Konträr zur geschlossenen Südseite, zeigt sich das Gebäude zum Stadtraum fast vollverglast. Die von vertikalen Verankerungsstreben gestützten, freistehenden Mauerreste werden Vitrinen-artig in Szene gesetzt. Heller Sichtbeton und weißer Stahl bilden einen neutralen Kontrast zur massiven Mauer und lassen diese zur Geltung kommen. Die Vorhangfassade aus Rattan-Gewebe lässt einen römisch-historischen Kontext vermuten und schafft eine einladend auskragende Gestik.


Der grüne Vorplatz als Stadthain lädt zum Verweilen und Regenieren ein. Im Boden eingelassene Spuren aus hinterleuchteten Corten-Stahl Bändern zeigen dem Besucher erste historische Spuren des römischen Kastells, wecken Interesse und beginnen seinen archäologisch inszenierten Rundgang in das Rigomagvs. Am Gebäude lädt eine Freitreppe mit Bühne zum beschatteten Verweilen und Ansicht auf die historische Mauer ein. Über Einblicke in gläserne Bodenvitrinen und in den verglasten 3-geschossigen Ausstellungsraum bekommt der Besucher ähnlich zu einer archäologischen Ausstellungsstätte einen authentischen Einblick in die römische Baukunst. Neben dem nord-östlichen Haupteingang kann er auch über einen, die Mauerreste überkragenden Stahlsteg im Westen das Gebäude betreten.
In beiden Fällen findet er im Erdgeschoss neben dem Empfang, Garderobenbereich und einem ruhigen Lichthof auch erste Ausstellungsflächen vor. Dabei ermöglicht die 3-geschössige Galerie um die historische Mauer stets einen guten Bezug zum Herzstück des Informationszentrum. Einblicke in das Untergeschoss und das geweckte Interesse lassen ihn nun über die zentrale offene Stahltreppe am oder den gläsernen Aufzug am Lichthof, in das offene Archiv im Untergeschoss abtauchen. Auf dem historischen Niveau des Geländes bekommt er über die helle Galerie einen neuen Eindruck der Kastellmauer. Projektionen, Infotafeln und Ausstellungstücke informieren dabei über die fortschrittliche Baukunst der Römer.
Im Obergeschoss trifft der Besucher in der, zum Dialog einladenden, Sozialdiele auf Fachkundige und Personal aus der angrenzenden Verwaltung.
Dort werden in Seminaren und Workshops die Thematiken rund um den Limes und das Kastell Rigomagvs vertieft. Eine integrierte Garderobe, Teeküche und flexible Bestuhlung für Sozialdiele und Vermittlungsraum ermöglichen dabei unterschiedlichste Vortragsformen. In der Verwaltung sorgen Tischarbeitsplätze, ein Wand-Archiv und die flexible Arbeits- und Pausentheke zum hellen Lichthof für angenehmes und konzentriertes Arbeiten. Dabei greifen die Angestellten neben der kleinen Kaffeetheke für Pausen und Meetings auch auf den größeren Vermittlungsraum und die WCs zurück. Angrenzend an die Verwaltung ermöglicht ein geschlossenes Treppenhaus direkten Zugang des Personals, sowie sichere Fluchtwege aus allen Geschossen für die Nutzer des Hauses.









Konstruktion & Materialien
Die Vorhangfassade kleidet das Obergeschoss und den Lichthof und bildet einen dauerhaften Sonnenschutz bei weiterhin guter Durchsichtigkeit nach außen. Auf die auskragende Stahlunterkonstruktion wird ein typisch römisches Rattan Geflecht mit grober Maschenweite aufgespannt. Die Größe wird dabei auch auf die dahinterliegenden Räume angepasst um mehr oder weniger Lichttransparenz zu generieren. Das robuste Rattangewebe, bestehend aus der Schlingpflanzen der gleichnamigen Rattan Palme ist ein widerstandsfähiges Naturmaterial, das über längere Witterungseinflüsse ausgraut. Während die Römer die Kunst des Rattanflechtens perfektionierten, wird der Werkstoff auch heute noch handwerklich geschätzt.
Das Informationszentrum Rigomagvs als neuer Attraktor Remagens, kleidet sich als Gebäude mit dem ökologisch nachhaltigen und römischen Fassadenmaterial und sticht dabei individuell aus Stadtraum hervor. Die leichte Skelettbauweise und zeltartige Membran-Fassade referenziert dabei die Charakteristik einer temporär überdachten Ausgrabgungsstätte und lässt den Besucher in die Rolle des Archäologen treten.
Große Photovoltaikflächen auf dem Dach, eine reduziertes Stahlthaupttragwerk, thermische hochwertige Verglasung und Raumlüftung garantieren dabei ein ökologisch nachhaltiges Bauwerk und klimatische Sicherung der freigelegten historischen Mauerwerksreste.
Das Rigomagvs, Informationszentrum Niedergermanischer Limes bietet dem Besucher einen authentischen und spannenden Einblick in die römische Historie der Stadt. Um die Kastellmauer als zentraler Drehund Angelpunkt vermittelt es in einem facettenreichem archäologischen Exkurs historisches Wissen und regt zum weiteren Vertiefen an.
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